Daten + Fakten

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Neuigkeiten, Daten und Wissenswertes

Das Institut für Soziale Diagnostik wird an dieser Stelle in Zukunft interessante Entwicklungen und Neuigkeiten – Daten und Fakten – aus unserem Fachgebiet mitteilen.

Gefährdung des Kindeswohl

Gewichtige Anhaltpunkte für Kindeswohlgefährdung in der frühen Kindheit aus medizinischer und psychosozialer Perspektive
 

Emotionale Misshandlung und Vernachlässigung sind die am häufigsten vorkommenden, aber am schwierigsten zu erkennenden Gefährdungsformen, denen Kinder ausgesetzt sein können. Beide Gefährdungsformen können auf vielfältige Weise in Erscheinung treten und sind Folgen von elterlichen Handlungen oder Unterlassungen, die sich über längere Zeiträume regelmäßig wiederholen. Die kindlichen Bedürfnisse werden von den Eltern nicht wahrgenommen oder die Kinder dienen ausschließlich eigennützigen Zwecken.

Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung

Für die Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung ist es unerheblich, ob Eltern mit ihren Handlungen oder Unterlassungen eine Schädigung ihres Kindes beabsichtigt oder nicht beabsichtigt haben. Hingegen ist es für die Einschätzung, wann Eltern im Umgang mit ihrem Kind die Grenze zur Kindeswohlgefährdung überschreiten, hoch bedeutsam, ob Eltern bereit und in der Lage sind, die schädigenden Auswirkungen ihres Tuns zu erkennen und mit geeigneten Mitteln nachweislich zum Wohl des Kindes zu verändern vermögen.

Fachliche Kriterien bei der Einschätzung

Das entscheidungsrelevante Kriterium bei der Einschätzung des Vorliegens einer Kindeswohlgefährdung ist die fachliche Beurteilung der Auswirkungen von Elternhandlungen oder Unterlassungen auf ein Kind und dessen Entwicklung. Hierzu hat das Nationale Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) eine wichtige Expertise, verfasst von Dr. phil. Dipl.-Psych. Michael Barth (Universitätsklinikum Freiburg), herausgegeben. hier

Statistisches Bundesamt: 2021

Statistisches Bundesamt – Pressemitteilung

Jugendämter nahmen 2021 5 % mehr Kinder und Jugendliche in Obhut

Die Zahl der Inobhutnahmen in Deutschland ist erstmals wieder angestiegen. Im Jahr 2021 haben die Jugendämter rund 47.500 Kinder und Jugendliche zu ihrem Schutz vorübergehend in Obhut genommen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, waren das knapp 2.100 Fälle oder 5 % mehr als im Vorjahr. Besonders stark fiel die Zunahme bei Inobhutnahmen nach unbegleiteten Einreisen aus dem Ausland aus (3.700 Fälle). Zurückgegangen sind dagegen auch im zweiten Corona-Jahr 2021 die Inobhutnahmen aufgrund dringender Kindeswohlgefährdungen. Etwas mehr Kinder und Jugendliche als im Vorjahr haben sich mit der Bitte um Inobhutnahme selbst an ein Jugendamt gewandt, nachdem die Zahl der Selbstmeldungen 2020 deutlich zurückgegangen war (-800 Fälle oder -10 % gegenüber 2019).

Kinder unter 14 Jahre

Im Kindesalter standen im Jahr 2021 andere Gründe für eine Inobhutnahme im Vordergrund als im Jugendalter. Knapp 20.200 (42 %) aller in Obhut genommenen Jungen und Mädchen waren 2021 unter 14 Jahre alt. In gut der Hälfte dieser Fälle war der Anlass der Inobhutnahme die Überforderung der Eltern (53 %). Eine besondere Bedeutung kam auch dem Schutz vor Vernachlässigung (26 %) und vor körperlichen (18 %) sowie psychischen Misshandlungen (12 %) zu.

Jugendliche über 14 Jahre

Etwas anders war das Bild bei den knapp 27.400 Jugendlichen von 14 bis unter 18 Jahren: Hier wurden die Inobhutnahmen am häufigsten nach unbegleiteten Einreisen aus dem Ausland eingeleitet (38 %). Eine wichtige Rolle spielten auch Überforderungen der Eltern (24 %) und allgemeine Beziehungsprobleme (12 %). Jedes achte Kind (12 %) und fast jeder dritte Jugendliche (31 %) war vor der Inobhutnahme von Zuhause weggelaufen.

Pressemitteilung Nr. 315 vom 27.7.2022

 

AKJstat 2021

AKJstat 2021 (amtliche Kinder- und Jugendhilfe Statistik)

Kinder- und Jugendhilfe ist nicht nur Dienstleister, sondern übernimmt auch den Schutz von jungen Menschen in Gefährdungslagen. Im Jahr 2020 kam es gemäß §42 SGB VIII zu rund 45400 Inobhutnahmen; die Fälle gingen um 8% im Vergleich zum Vorjahr zurück (vgl. Statistisches Bundesamt 2021). Stetig steigend sind die Fälle, in denen Jugendämter im Rahmen einer Gefährdungseinschätzung gemäß §8a SGB VIII eine Gefährdung des Kindeswohls feststellen oder diese zumindest nicht ausschließen können

Akute und sog. latente Gefährdungssituationen in Familien betreffen insgesamt bis zu 40,6 von 10 000 der unter 18-Jährigen, also 0,4% der Minderjährigen in Deutschland (vgl. AKJstat 2021). Ein nicht näher bestimmbarer Teil der Gefährdungen liegt im „Dunkelfeld“. Die steigende Zahl jährlicher Gefährdungseinschätzungen (2019 rund 173 000 Meldungen) könnte auf eine wachsende Sensibilität in der Bevölkerung, eine verbesserte Kooperation im Kinderschutz und auch auf die qualitative Weiterentwicklung der Kinderschutzpraxis im Jugendamt zurückgehen. Aber auch ein tatsächlicher Anstieg von Minderjährigen, die von Gefährdungen betroffen sind, kann nicht ausgeschlossen werden.

Einschätzung und Maßnahmen

Anhaltspunkte für mögliche Kindeswohlgefährdungen müssen erkannt, richtig eingeschätzt und geeignete Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Dieser Einschätzung liegt nicht nur ein hohes Maß an veränderlichen Werten und Normen zugrunde, sondern sie erfordert mitunter auch spezielles Fachwissen.

Ebenso anspruchsvoll ist die Aufgabe zu bewerten, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die die Betroffenen effektiv schützen und deren Interessen wahrnehmen. Der am häufigsten genannte Grund für eine Gefährdung des Kindeswohls wird mit 58,5% durch Vernachlässigung angegeben. Seltener sind Hinweise auf physische (27,1%) oder psychische (32,0%) Misshandlung. Am seltensten werden Anzeichen für sexuelle Gewalt mit 5,4% der Fälle vermerkt. Eine eindeutige Kindeswohlgefährdung konnte in 15,9% der untersuchten Meldungen festgestellt werden. In 16,2% konnte der Verdacht weder eindeutig bestätigt noch ausgeschlossen werden.

Bei einem Drittel aller 8a-Verfahren bestand zwar keine Kindeswohlgefährdung, jedoch ein Hilfe- oder Unterstützungsbedarf. Für die übrigen 34,2% stellte das Jugendamt weder eine Gefährdung noch einen Hilfebedarf fest. Etwa die Hälfte aller festgestellten Gefährdungen (50,3%) betrifft junge Menschen, die noch nicht mit der Kinder- und Jugendhilfe in Kontakt standen – ohne entsprechende Hinweise wären beinahe 28 000 Gefährdungsfälle im Jahr 2019 unentdeckt geblieben. Die Meldungen im Jahr 2019 gingen zu 66,0% auf Fachkräfte und Institutionen zurück. Aus dem privaten Umfeld ergingen 24,4% der Hinweise, die restlichen 9,6% der Gefährdungseinschätzungen wurden auf Initiative der Betroffenen selbst bzw. ihrer Eltern eingeleitet. In der Mehrheit der Fälle festgestellter Kindeswohlgefährdungen reagiert das Jugendamt mit Unterstützungsleistungen im Familiensystem. In 2019 wurden in weniger als die Hälfte der „akuten“ Gefährdungslagen (44,9%) hoheitliche Maßnahmen ergriffen.

Ergebnisse einer Zusatzerhebung zu den 8a-verfahren zeigen, dass Jugendämter in den Monaten Mai bis Oktober 2020 ungefähr so viele Gefährdungseinschätzungen durchführten, wie es auch ohne die Coronapandemie zu erwarten gewesen wäre. Es ist allerdings zu befürchten, dass das „Dunkelfeld“ nicht erkannter Gefährdungssituationen durch die Pandemie gewachsen ist.

 

Bildnachweise
  • Headerbild                   
  • Sophie Weiermann

Kinderswohlgefährdung aus medizinischer und psychosozialer Perspektive

Gewichtige Anhaltpunkte für Kindeswohlgefährdung in der frühen Kindheit aus medizinischer und psychosozialer Perspektive
 

Emotionale Misshandlung und Vernachlässigung sind die am häufigsten vorkommenden, aber am schwierigsten zu erkennenden Gefährdungsformen, denen Kinder ausgesetzt sein können. Beide Gefährdungsformen können auf vielfältige Weise in Erscheinung treten und sind Folgen von elterlichen Handlungen oder Unterlassungen, die sich über längere Zeiträume regelmäßig wiederholen. Die kindlichen Bedürfnisse werden von den Eltern nicht wahrgenommen oder die Kinder dienen ausschließlich eigennützigen Zwecken.

Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung

Für die Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung ist es unerheblich, ob Eltern mit ihren Handlungen oder Unterlassungen eine Schädigung ihres Kindes beabsichtigt oder nicht beabsichtigt haben. Hingegen ist es für die Einschätzung, wann Eltern im Umgang mit ihrem Kind die Grenze zur Kindeswohlgefährdung überschreiten, hoch bedeutsam, ob Eltern bereit und in der Lage sind, die schädigenden Auswirkungen ihres Tuns zu erkennen und mit geeigneten Mitteln nachweislich zum Wohl des Kindes zu verändern vermögen.

Fachliche Kriterien bei der Einschätzung

Das entscheidungsrelevante Kriterium bei der Einschätzung des Vorliegens einer Kindeswohlgefährdung ist die fachliche Beurteilung der Auswirkungen von Elternhandlungen oder Unterlassungen auf ein Kind und dessen Entwicklung. Hierzu hat das Nationale Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) eine wichtige Expertise, verfasst von Dr. phil. Dipl.-Psych. Michael Barth (Universitätsklinikum Freiburg), herausgegeben. hier

Statistisches Bundesamt: Zahlen für 2021

Statistisches Bundesamt – Pressemitteilung

Jugendämter nahmen 2021 5 % mehr Kinder und Jugendliche in Obhut

Die Zahl der Inobhutnahmen in Deutschland ist erstmals wieder angestiegen. Im Jahr 2021 haben die Jugendämter rund 47.500 Kinder und Jugendliche zu ihrem Schutz vorübergehend in Obhut genommen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, waren das knapp 2.100 Fälle oder 5 % mehr als im Vorjahr. Besonders stark fiel die Zunahme bei Inobhutnahmen nach unbegleiteten Einreisen aus dem Ausland aus (3.700 Fälle). Zurückgegangen sind dagegen auch im zweiten Corona-Jahr 2021 die Inobhutnahmen aufgrund dringender Kindeswohlgefährdungen. Etwas mehr Kinder und Jugendliche als im Vorjahr haben sich mit der Bitte um Inobhutnahme selbst an ein Jugendamt gewandt, nachdem die Zahl der Selbstmeldungen 2020 deutlich zurückgegangen war (-800 Fälle oder -10 % gegenüber 2019).

Kinder unter 14 Jahre

Im Kindesalter standen im Jahr 2021 andere Gründe für eine Inobhutnahme im Vordergrund als im Jugendalter. Knapp 20.200 (42 %) aller in Obhut genommenen Jungen und Mädchen waren 2021 unter 14 Jahre alt. In gut der Hälfte dieser Fälle war der Anlass der Inobhutnahme die Überforderung der Eltern (53 %). Eine besondere Bedeutung kam auch dem Schutz vor Vernachlässigung (26 %) und vor körperlichen (18 %) sowie psychischen Misshandlungen (12 %) zu.

Jugendliche über 14 Jahre

Etwas anders war das Bild bei den knapp 27.400 Jugendlichen von 14 bis unter 18 Jahren: Hier wurden die Inobhutnahmen am häufigsten nach unbegleiteten Einreisen aus dem Ausland eingeleitet (38 %). Eine wichtige Rolle spielten auch Überforderungen der Eltern (24 %) und allgemeine Beziehungsprobleme (12 %). Jedes achte Kind (12 %) und fast jeder dritte Jugendliche (31 %) war vor der Inobhutnahme von Zuhause weggelaufen.

Pressemitteilung Nr. 315 vom 27.7.2022

 

AKJstat 2021

AKJstat 2021 (amtliche Kinder- und Jugendhilfe Statistik)

Kinder- und Jugendhilfe ist nicht nur Dienstleister, sondern übernimmt auch den Schutz von jungen Menschen in Gefährdungslagen. Im Jahr 2020 kam es gemäß §42 SGB VIII zu rund 45400 Inobhutnahmen; die Fälle gingen um 8% im Vergleich zum Vorjahr zurück (vgl. Statistisches Bundesamt 2021). Stetig steigend sind die Fälle, in denen Jugendämter im Rahmen einer Gefährdungseinschätzung gemäß §8a SGB VIII eine Gefährdung des Kindeswohls feststellen oder diese zumindest nicht ausschließen können

Akute und sog. latente Gefährdungssituationen in Familien betreffen insgesamt bis zu 40,6 von 10 000 der unter 18-Jährigen, also 0,4% der Minderjährigen in Deutschland (vgl. AKJstat 2021). Ein nicht näher bestimmbarer Teil der Gefährdungen liegt im „Dunkelfeld“. Die steigende Zahl jährlicher Gefährdungseinschätzungen (2019 rund 173 000 Meldungen) könnte auf eine wachsende Sensibilität in der Bevölkerung, eine verbesserte Kooperation im Kinderschutz und auch auf die qualitative Weiterentwicklung der Kinderschutzpraxis im Jugendamt zurückgehen. Aber auch ein tatsächlicher Anstieg von Minderjährigen, die von Gefährdungen betroffen sind, kann nicht ausgeschlossen werden.

Einschätzung und Maßnahmen

Anhaltspunkte für mögliche Kindeswohlgefährdungen müssen erkannt, richtig eingeschätzt und geeignete Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Dieser Einschätzung liegt nicht nur ein hohes Maß an veränderlichen Werten und Normen zugrunde, sondern sie erfordert mitunter auch spezielles Fachwissen.

Ebenso anspruchsvoll ist die Aufgabe zu bewerten, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die die Betroffenen effektiv schützen und deren Interessen wahrnehmen. Der am häufigsten genannte Grund für eine Gefährdung des Kindeswohls wird mit 58,5% durch Vernachlässigung angegeben. Seltener sind Hinweise auf physische (27,1%) oder psychische (32,0%) Misshandlung. Am seltensten werden Anzeichen für sexuelle Gewalt mit 5,4% der Fälle vermerkt. Eine eindeutige Kindeswohlgefährdung konnte in 15,9% der untersuchten Meldungen festgestellt werden. In 16,2% konnte der Verdacht weder eindeutig bestätigt noch ausgeschlossen werden.

Bei einem Drittel aller 8a-Verfahren bestand zwar keine Kindeswohlgefährdung, jedoch ein Hilfe- oder Unterstützungsbedarf. Für die übrigen 34,2% stellte das Jugendamt weder eine Gefährdung noch einen Hilfebedarf fest. Etwa die Hälfte aller festgestellten Gefährdungen (50,3%) betrifft junge Menschen, die noch nicht mit der Kinder- und Jugendhilfe in Kontakt standen – ohne entsprechende Hinweise wären beinahe 28 000 Gefährdungsfälle im Jahr 2019 unentdeckt geblieben. Die Meldungen im Jahr 2019 gingen zu 66,0% auf Fachkräfte und Institutionen zurück. Aus dem privaten Umfeld ergingen 24,4% der Hinweise, die restlichen 9,6% der Gefährdungseinschätzungen wurden auf Initiative der Betroffenen selbst bzw. ihrer Eltern eingeleitet. In der Mehrheit der Fälle festgestellter Kindeswohlgefährdungen reagiert das Jugendamt mit Unterstützungsleistungen im Familiensystem. In 2019 wurden in weniger als die Hälfte der „akuten“ Gefährdungslagen (44,9%) hoheitliche Maßnahmen ergriffen.

Ergebnisse einer Zusatzerhebung zu den 8a-verfahren zeigen, dass Jugendämter in den Monaten Mai bis Oktober 2020 ungefähr so viele Gefährdungseinschätzungen durchführten, wie es auch ohne die Coronapandemie zu erwarten gewesen wäre. Es ist allerdings zu befürchten, dass das „Dunkelfeld“ nicht erkannter Gefährdungssituationen durch die Pandemie gewachsen ist.

 

Bildnachweise
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  • Sophie Weiermann